Praxiserprobung eines Wasserstoff-Kehrfahrzeuges in Bern

Wasserstoff-Fahrzeuge als Bestandteil der Energiewende

25.09.2013 | CORNELIA ZOGG
Mitte März, nach einer langen Winterpause, lief die dreimonatige Praxiserprobung des wasserstoff-betriebenen Kehrfahrzeugs in Bern an. Das Fahrzeug hat den Test inzwischen bestanden: Die Leis-tungsfähigkeit ist mit konventionellen Kehrfahrzeugen vergleichbar, der Energieverbrauch sank um bis zu 70 Prozent. Für die Nachhaltigkeit entscheidend ist indes, wie der Wasserstoff produziert wird.
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Die Leistungsfähigkeit des wasserstoffbetriebenen Kehrfahrzeugs ist trotz einem für Versuchsfahrzeuge typischen Mehrgewicht vergleichbar mit dieselbetriebenen Fahrzeugen. Und was besonders erfreulich ist: In der Praxis weist der Wasserstoffantrieb eine Verbrauchsreduktion von 60 bis 70 Prozent auf. Dies deshalb, weil die stark verlustbehaftete hydraulische Leistungsverteilung – wie sie in Kommunalfahrzeugen Stand der Technik ist – durch elektrische Antriebe und der Dieselmotor durch ein Brennstoffzellensystem ersetzt wurden. Der Brennstoffzellen-Hybridantrieb ist zudem deutlich leiser als herkömmliche Fahrzeuge, was den Einsatz in frühen Morgenstunden, wenn die Gehwege und Strassen noch weniger ausgelastet sind, ermöglicht. Schliesslich emittiert der Antrieb keine Schadstoffe, was insbesondere in Städten beziehungsweise in grossen Hallen und Innenräumen von grosser Bedeutung ist.

Der Einsatz in Bern hat die Erfahrungs- und Datenbasis stark verbreitert. Dabei wurde beispielsweise das Alterungsverhalten der Brennstoffzelle untersucht und es wurden Unterschiede beim Einsatz in Innenstädten, Quartieren oder Hauptstrassen herausgearbeitet, die für die Optimierung der Bauteildimensionierung oder der Antriebssteuerung genutzt werden können.
Kehrfahrzeuge werden täglich bis zu sechs Stunden betrieben. Die Treibstoffkosten sind deshalb deutlich höher als bei Personenwagen, die typischerweise nur eine Stunde am Tag gefahren werden. Dank der hohen Treibstoffeinsparung des wasserstoffbetriebenen Kehrfahrzeugs mit entsprechender Kostenreduktion ist ein wirtschaftlicher Betrieb trotz deutlich höheren Anschaffungskosten absehbar. Allerdings benötigen solche Fahrzeuge Wasserstofftankstellen, die heute in der Schweiz (wie auch international) erst vereinzelt vorhanden oder in Planung sind. In vielen Ländern sind aber grosse Förderprogramme für den Aufbau von Wasserstoff-tankstellen im Gange.

Die Crux: die Herstellung des Wasserstoffs
Die Nachhaltigkeit von Fahrzeugen wird in erster Linie durch die Primärenergiequelle und den Aufwand zur Herstellung des Treibstoffs bestimmt. Wird der Wasserstoff mittels Dampfreformierung aus Erdgas hergestellt – wie das heute vorwiegend der Fall ist –, dann sind Wasserstoffantriebe trotz höherem Wirkungsgrad nicht nachhaltiger als konventionelle Antriebe.
Anders sieht dies dagegen aus, wenn Wasserstoff elektrolytisch aus temporär überschüssiger Elektrizität hergestellt wird. Durch den derzeit starken Ausbau von Photovoltaik und Windkraftwerken entsteht künftig zeitweise ein Stromüberangebot, etwa an Sonnentagen. Da das Stromnetz Elektrizität nicht speichern kann, wird überschüssiger Strom heute «abgeregelt». Bis 2050 geht man in der Schweiz im Sommerhalbjahr von einem Überangebot an Strom von bis zu neun Terrawattstunden (TWh) aus. Dieses Überangebot lässt sich auf die Hälfte reduzieren, wäre der Kraftwerkpark ideal regelbar. Davon könnten Pumpspeicherkraftwerke im Bestfall 3.5 TWh speichern – wobei allerdings unklar ist, ob dies auch wirtschaftlich machbar ist. Selbst im Idealfall resultiert somit jährlich im Sommerhalbjahr ein Stromüberangebot von mindestens einer TWh; höchstwahrscheinlich ist die überschüssige Strommenge sogar noch wesentlich grösser. Pro Terrawattstunde Überschussstrom könnte mittels dezentraler Elektrolyseanlagen rund 15‘000 Tonnen Wasserstoff mit einem Energieinhalt von mehr als 50 Millionen Liter Benzin produziert werden. Ein Vorgang, der als «chemische Stromspeicherung» bezeichnet wird und der von zentraler Bedeutung für die angestrebte Energiewende ist.
Derzeit beziehungsweise in der Marktaufbauphase ist die Kombination von effizienten Fahrzeugantrieben wie Brennstoffzellen-Hybride mit auf Abfall oder Überschussstrom basierenden Treibstoffen, zum Beispiel Wasserstoff, noch kaum wirtschaftlich; sie ermöglicht es uns aber, auf nachhaltige Konzepte umzusteigen, die die extreme Abhängigkeit von Energieimporten zu vermindern und eine höhere Wertschöpfung im Inland zu generieren.

Das Projekt rund um das wasserstoffbetriebene Kehrfahrzeug wird von der Empa, dem Paul Scherrer Institut (PSI), Bucher Schörling, Messer Schweiz und Brusa sowie vom Kompetenzzentrum für Energie und Mobilität des ETH-Bereichs (CCEM), Novatlantis – Nachhaltigkeit im ETH-Bereich, dem Bundesamt für Energie (BFE) und den Pilotregionen Basel, St. Gallen, Bern (Kanton Bern, Stadt Bern, SwissAlps3000) und Meyrin (Kanton Genf, Stadt Meyrin) finanziert und durchgeführt.

 

 
 


 

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