Nationales Forschungsprogramm zu Nanomaterialien
Die Wege der Nanopartikel in der Umwelt
Wie viele menschgemachte Nanopartikel gelangen in die Luft, in den Boden oder ins Wasser? Um die Mengen abzuschätzen, hat ein Team um Empa-Forscher Bernd Nowack im Rahmen des Nationalen Forschungsprogramms «Chancen und Risiken von Nanomaterialien» (NFP 64) ein Computermodell entwickelt. «Unsere Schätzungen sind die besten, im Moment verfügbaren Daten zu den Massenflüssen von Nano-Silber, Nano-Zink und Nano-Titandioxid sowie von Kohlenstoffnanoröhrchen in der Umwelt», so Nowack.
Im Gegensatz zu den bisher verwendeten statischen Berechnungen berücksichtigt das neue – dynamische – Modell nicht nur das starke Wachstum der Herstellung und des Gebrauchs von Nanomaterialien, sondern kalkuliert auch mit ein, dass unterschiedliche Nanomaterialien in verschiedenen Anwendungen zum Einsatz kommen. So sind zum Beispiel Nano-Zink und Nano-Titandioxid vor allem in Kosmetika zu finden. Gut die Hälfte dieser Nanopartikel gelangt innerhalb eines Jahres ins Abwasser und von dort weiter in den Klärschlamm. Kohlenstoffnanoröhrchen hingegen sind in Verbundstoffe integriert, wie sie etwa zur Herstellung von Tennisschlägern und Velorahmen zum Einsatz kommen. Freigesetzt werden sie – wenn überhaupt – erst nach mehreren Jahren, wenn diese Produkte in der Abfallverbrennung oder im Recycling landen.
39‘000 Tonnen Nanoteilchen
Die an der Studie beteiligten Forschenden der Empa, der ETH Zürich und der Universität Zürich gehen zum Beispiel beim Nano-Titandioxid von einer europaweiten Jahresproduktion in der Höhe von 39‘000 Tonnen aus – bedeutend mehr als alle anderen Nanomaterialien zusammen. Das Modell berechnet, wie viel davon in die Luft, die Oberflächengewässer, die Sedimente und den Boden gelangt, wo es sich anreichert. In der EU erreicht Nano-Titandioxid durch die Düngung mit Klärschlamm – eine in der Schweiz verbotene Praxis – inzwischen eine Konzentration von durchschnittlich rund 60 Mikrogramm pro Kilogramm in betroffenen Böden.
Die Massenflüsse in der Umwelt zu kennen, ist allerdings nur der erste Schritt in der Risikoabschätzung für Nanomaterialien. Nun gelte es, diese Daten mit ökotoxikologischen Versuchsresultaten und den gesetzlichen Grenzwerten zu vergleichen, so Nowack. Mit ihrem neuen Modell haben die Forschenden um Nowack noch keine Risikoevaluation gemacht. Frühere Arbeiten mit Daten aus einem statischen Modell zeigten jedoch, dass die ermittelten Konzentrationen aller vier untersuchten Nanomaterialien keine Auswirkungen auf die Umwelt erwarten lassen.
Doch zumindest für Nano-Zink nähern sich die Umweltkonzentrationen einer kritischen Grenze an. Deshalb müsse man dieses Nanomaterial in künftigen ökotoxikologischen Studien prioritär untersuchen. Dies obwohl Nano-Zink in kleineren Mengen als etwa Nano-Titandioxid hergestellt wird. Zudem seien ökotoxikologische Versuche bisher vor allem mit Süsswasserorganismen durchgeführt worden. Nun drängten sich ergänzende Untersuchungen mit Bodenlebewesen auf, so die Forschenden.
Overview and Summary National Research Project 64
Balancing Opportunities and Risks of Nanomaterials
Opportunities of Nanomaterials
Im Auftrag des Bundesrates führt der Schweizerische Nationalfonds das Nationale Forschungsprogramm «Chancen und Risiken von Nanomaterialien» (NFP 64). Das Ziel ist, die Lücken im gegenwärtigen Wissen über Nanomaterialien zu schliessen, von der Herstellung bis zu Einsatz und Entsorgung. Die gesamten Schlussempfehlungen des NFP 64 werden 2017 veröffentlicht.
Weitere Informationen unter:
- Dynamic probabilistic modelling of environmental emissions of engineered nanomaterials, TY Sun, NA Bornhöft, K Hungerbühler, B Nowack, Environ Sci & Technol (2016), doi: 10.1021/acs.est.5b05828
- Probabilistic environmental risk assessment of five nanomaterials (nano-TiO2, nano-Ag, nano-ZnO, CNT, and fullerenes), C Coll D Notter, F Gottschalk, T Sun, B Nowack, Nanotoxicology (2016), doi: 10.3109/17435390.2015.1073812