Nationales Forschungsprogramm zu Nanomaterialien

Die Wege der Nanopartikel in der Umwelt

12.05.2016 | MICHAEL HAGMANN
Kohlenstoffnanoröhrchen bleiben jahrelang in Werkstoffen gebunden. Nano-Titandioxid und Nano-Zink werden hingegen relativ rasch aus Kosmetika ausgewaschen und reichern sich im Boden an. So lautet das Ergebnis eines neuen Modells von Forschenden unter Leitung der Empa im Rahmen des Nationalen Forschungsprogramms «Chancen und Risiken von Nanomaterialien» (NFP 64), das die Flüsse der wichtigsten Nanomaterialien in der Umwelt nachzeichnet.
/documents/56164/575814/Nowack+-+NFP+64/67dc8674-3c98-43bf-9230-b30ae3d743b8?t=1463036113737
Source: iStockPhoto.com

Wie viele menschgemachte Nanopartikel gelangen in die Luft, in den Boden oder ins Wasser? Um die Mengen abzuschätzen, hat ein Team um Empa-Forscher Bernd Nowack im Rahmen des Nationalen Forschungsprogramms «Chancen und Risiken von Nanomaterialien» (NFP 64) ein Computermodell entwickelt. «Unsere Schätzungen sind die besten, im Moment verfügbaren Daten zu den Massenflüssen von Nano-Silber, Nano-Zink und Nano-Titandioxid sowie von Kohlenstoffnanoröhrchen in der Umwelt», so Nowack.

Im Gegensatz zu den bisher verwendeten statischen Berechnungen berücksichtigt das neue – dynamische – Modell nicht nur das starke Wachstum der Herstellung und des Gebrauchs von Nanomaterialien, sondern kalkuliert auch mit ein, dass unterschiedliche Nanomaterialien in verschiedenen Anwendungen zum Einsatz kommen. So sind zum Beispiel Nano-Zink und Nano-Titandioxid vor allem in Kosmetika zu finden. Gut die Hälfte dieser Nanopartikel gelangt innerhalb eines Jahres ins Abwasser und von dort weiter in den Klärschlamm. Kohlenstoffnanoröhrchen hingegen sind in Verbundstoffe integriert, wie sie etwa zur Herstellung von Tennisschlägern und Velorahmen zum Einsatz kommen. Freigesetzt werden sie – wenn überhaupt – erst nach mehreren Jahren, wenn diese Produkte in der Abfallverbrennung oder im Recycling landen.

39‘000 Tonnen Nanoteilchen

Die an der Studie beteiligten Forschenden der Empa, der ETH Zürich und der Universität Zürich gehen zum Beispiel beim Nano-Titandioxid von einer europaweiten Jahresproduktion in der Höhe von 39‘000 Tonnen aus – bedeutend mehr als alle anderen Nanomaterialien zusammen. Das Modell berechnet, wie viel davon in die Luft, die Oberflächengewässer, die Sedimente und den Boden gelangt, wo es sich anreichert. In der EU erreicht Nano-Titandioxid durch die Düngung mit Klärschlamm – eine in der Schweiz verbotene Praxis – inzwischen eine Konzentration von durchschnittlich rund 60 Mikrogramm pro Kilogramm in betroffenen Böden.

Die Massenflüsse in der Umwelt zu kennen, ist allerdings nur der erste Schritt in der Risikoabschätzung für Nanomaterialien. Nun gelte es, diese Daten mit ökotoxikologischen Versuchsresultaten und den gesetzlichen Grenzwerten zu vergleichen, so Nowack. Mit ihrem neuen Modell haben die Forschenden um Nowack noch keine Risikoevaluation gemacht. Frühere Arbeiten mit Daten aus einem statischen Modell zeigten jedoch, dass die ermittelten Konzentrationen aller vier untersuchten Nanomaterialien keine Auswirkungen auf die Umwelt erwarten lassen.

Doch zumindest für Nano-Zink nähern sich die Umweltkonzentrationen einer kritischen Grenze an. Deshalb müsse man dieses Nanomaterial in künftigen ökotoxikologischen Studien prioritär untersuchen. Dies obwohl Nano-Zink in kleineren Mengen als etwa Nano-Titandioxid hergestellt wird. Zudem seien ökotoxikologische Versuche bisher vor allem mit Süsswasserorganismen durchgeführt worden. Nun drängten sich ergänzende Untersuchungen mit Bodenlebewesen auf, so die Forschenden.

Overview and Summary National Research Project 64

This video discusses the main aspects and research areas of the NRP 64 and gives an overview of the results. From 2010 to 2015, the National Research Programme NRP 64 of the Swiss National Science Foundation examined the «Opportunities and Risks of Nanomaterials» in 23 research projects. Source: http://www.nfp64.ch/de/news-medien/multimedia

Balancing Opportunities and Risks of Nanomaterials

The video shows opportunities arising from the use of nanoparticles in the development of new therapies, but also points out potential risks and hurdles that still need to be evaluated. Source: http://www.nfp64.ch/de/news-medien/multimedia

Opportunities of Nanomaterials

New smart construction materials, more efficient energy carriers and nanoparticle-enriched food – these are only a few of the opportunities of nanomaterials researched in the NRP 64. Source: http://www.nfp64.ch/de/news-medien/multimedia Source: http://www.nfp64.ch/de/news-medien/multimedia

Weitere Informationen

Prof. Dr. Bernd Nowack
Technologie und Gesellschaft
Tel. +41 58 765 76 92

 

Redaktion / Medienkontakt

Dr. Michael Hagmann
Kommunikation
Tel. +41 58 765 45 92


Chancen und Risiken von Nanomaterialien (NFP 64)

Im Auftrag des Bundesrates führt der Schweizerische Nationalfonds das Nationale Forschungsprogramm «Chancen und Risiken von Nanomaterialien» (NFP 64). Das Ziel ist, die Lücken im gegenwärtigen Wissen über Nanomaterialien zu schliessen, von der Herstellung bis zu Einsatz und Entsorgung. Die gesamten Schlussempfehlungen des NFP 64 werden 2017 veröffentlicht.
Weitere Informationen unter:


Literaturhinweise
  • Dynamic probabilistic modelling of environmental emissions of engineered nanomaterials, TY Sun, NA Bornhöft, K Hungerbühler, B Nowack, Environ Sci & Technol (2016), doi: 10.1021/acs.est.5b05828
  • Probabilistic environmental risk assessment of five nanomaterials (nano-TiO2, nano-Ag, nano-ZnO, CNT, and fullerenes), C Coll D Notter, F Gottschalk, T Sun, B Nowack, Nanotoxicology (2016), doi: 10.3109/17435390.2015.1073812