Empa-Spin-off entwickelt Schwitzroboter für Industrie und Forschung

Hightech-Puppen, die schwitzen

20.07.2009 | SIMON BERGINZ
Letztes Jahr gingen aus Empa-Technologien vier Spin-offs hervor. Einer davon ist die im Oktober gegründete Humanikin GmbH. Mark Richards, Firmengründer und ehemaliger Empa-Forscher, entwickelt so genannte Manikins: spezielle Puppen, die sich bewegen und schwitzen und so den menschlichen Körper möglichst realitätsnah imitieren, etwa um bessere funktionale Bekleidung für Sport oder extreme Arbeitseinsätze zu entwickeln.
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Legende: Pinocchio und sein Meister: Die Schwitzpuppe «SAM» mit seinem Schöpfer, dem Forscher und nun auch Jungunternehmer Mark Richards.


Obwohl Mark Richards mit seiner «Humanikin GmbH» bereits seit einigen Monaten selbstständig ist, hat er die Empa – räumlich gesehen – nie verlassen. Der britische Physiker und Physiologe hat im «tebo», dem Technologiezentrum der Empa in St. Gallen, Räumlichkeiten für seine Entwicklungsfirma eingerichtet. In einem dieser Räume steht «SAM» (Sweating Agile thermal Manikin), ein bewegliches und schwitzendes Ganzkörpermodell, mit dem sich Hitzeverlust, Schweissproduktion und Bewegungen des Menschen realistisch simulieren lassen. SAM ist der bisherige Höhepunkt der Entwicklung dieser «Manikins». Zuvor hatte Richards schon einen Schwitztorso kreiert, um Schlafsackmaterialien zu beurteilen, und einen Schwitzkopf namens «Alex» für die Klimaprüfung in einem Helm.

 
Erster Schritt in Richtung Selbständigkeit
Die Manikins erlaubten es erstmals, Funktionstextilien unter Laborbedingungen reproduzierbar zu bewerten und zu vergleichen. Zuvor dienten die subjektiven Eindrücke von Testpersonen als Beurteilungsgrundlage, die jedoch weder neutral noch wissenschaftlich nachvollziehbar waren.
 
SAM und seine «Kollegen» waren ein Erfolg: Schon bald wollten Firmen und Forschungsinstitute nicht einfach nur die Analysen und Testergebnisse der Empa auf diesem Gebiet, sie interessierten sich vielmehr für die Simulatoren an sich, um eigene Tests an neu entwickelter Bekleidung durchführen zu können. Für eine Forschungsinstitution wie die Empa kam jedoch eine Art Serienproduktion der Manikins für Dritte nicht in Frage. Für Mark Richards hingegen schon; die Idee für ein Spin-off war geboren. Nachdem die Empa ihre Unterstützung zugesichert hatte, präsentierte Richards sein Geschäftsmodell im «tebo» und erarbeitete einen Businessplan.
 
Das ist erst der Anfang
Ideen zum Bau von intelligenten thermischen Steuerungen hat Richards viele, einige davon sind bereits zum Patent angemeldet. Zum Beispiel soll SAM eine verbesserte Haut bekommen, damit die Wärmeabgabe genauer gemessen werden kann. Richards will Systeme entwickeln, die das lokale dynamische Schwitzverhalten und die Hauttemperatur besser imitieren. Dafür bekommt SAM auch ein anatomisch geformtes Gesicht sowie Hände und Füsse. So wird SAM noch «menschlicher»!
 
Abnehmer für «SAM, v2.0» sind neben der Empa auch andere Forschungsinstitutionen und Firmen aus der Textilindustrie. Die Humanikin GmbH will die Manikins allerdings nicht selber produzieren, sondern innovative Ideen entwickeln und mit Industriepartnern zusammenarbeiten, die die Manikins (oder Komponenten dazu) produzieren und verkaufen.
 
Bedarf besteht nicht nur für ganze Manikins – zur Prüfung und Beurteilung von Helmen genügt beispielsweise ein Kopfmodell. Geplant ist auch ein Mini-Computertomograph, der auf einer künstlichen Hautplatte mit Hilfe von Röntgenstrahlen die physikalischen Vorgänge in den Bekleidungsmaterialien genau untersucht. So lässt sich beobachten, was mit Körperschweiss und -wärme in der Kleidung passiert.
 
Gute Chancen rechnet sich Richards auch für den kürzlich eingereichten Antrag zum EU-Forschungsprojekt «Prospie» (Protective Responsive Outer Shell for People in Industrial Environments) aus. Er durchlief bereits die zweite Bewilligungsrunde erfolgreich. Das Projektteam will Arbeitskleidung mit einem integrierten thermischen Warnsystem entwickeln, wobei Humanikin für die passenden Sensoren und Elektronik in der Bekleidung verantwortlich ist. In diesem Forschungsprojekt arbeitet Richards Firma in einem Konsortium mit 16 Partnern aus ganz Europa zusammen – inklusive der Empa.
 
 


 

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