Bioverfahren steigert Vakzinertrag

Impfstoff aus dem Bioreaktor

10.06.2009 | REMIGIUS NIDERÖST
Im Kampf gegen Infektionskrankheiten bleiben Impfstoffe die wirksamsten Waffen. Doch zur Aufrüstung genügt es nicht, neuartige Vakzine zu entwickeln; auch die Herstellung ausreichender Mengen stellt die Forschung vor Herausforderungen. Zusammen mit dem ETH-Spin-Off GlycoVaxyn AG konnten Empa-Forscher ein neues Bioverfahren etablieren, das die Impfstoff-Ausbeute im Vergleich zur herkömmlichen Methode um das 50-fache steigert.
/documents/56164/286256/a592-2009-06-04-b0s+stopper+Bioreaktor.jpg/421d5438-ce24-4668-8df0-884b95422092?t=1448305896887
 

Bildquelle: iStock

 

Empa-Forschern ist es gelungen, ein von der ETH-Spin-Off Firma entwickeltes neuartiges Verfahren zur Impfstoff-Herstellung vom Kleinmassstab in Bioreaktoren zu übertragen und zu optimieren. Damit konnte der Vakzinertrag enorm gesteigert werden. Die neue Methode liefert so genannte konjugierte Impfstoffe: Bei diesen werden Antigene in Form von Zuckerketten (Oligosaccharide) in einem aufwändigen chemischen Prozess an Trägerproteine gekoppelt, ein Prozess, der als Glykosylierung bezeichnet wird. Bereits erhältliche konjugierte Vakzine gehören zu den wirksamsten und sichersten vorbeugenden Massnahmen gegen gefährliche Bakterien wie Haemophilus influenzæ. Eine Impfung von Kleinkindern gegen diesen Erreger wird empfohlen, da er schwere Erkrankungen im Nasen-Rachenraum und potenziell tödlich verlaufende Hirnhautentzündungen verursachen kann.

 

Design-Bakterien statt chemischem Prozess

Eleganter ist es, diese Aufgabe speziell designten, ungiftigen Escherichia coli-Zellen zu überlassen, Bakterien also, die normalerweise im Darm vorkommen. Dafür hat GlycoVaxyn ein auf Enzymen basierendes in vivo-Verfahren entwickelt. Die Coli-Bakterien wurden genetisch derart verändert, dass sie bestimmte Proteine glykosylieren, das heisst Impfstoff herstellen.
 
Allerdings war die Ausbeute ihres Produktionsprozesses zu gering. Die Impfstoffhersteller brauchten Fachleute, die ihren Prozess in grösserem Massstab in einen Bioreaktor übertragen konnten. Und fanden sie in der Abteilung «Biomaterials» der Empa, die über das nötige Know-how und die Bioreaktoren verfügt.
 

Von der Zellkultur zum Bioreaktor

«Das ist das klassische «Scale-Up-Problem» der Biotechnologie: Es ist nicht einfach alles mal hundert zu nehmen», erläutert Empa-Fachmann Julian Ihssen die Ausgangslage. «In grösserem Massstab wird alles schwieriger. Bei höherer Zelldichte ändern sich viele Faktoren.» Zum Beispiel beginnen Escherichia coli-Bakterien, Essigsäure zu bilden. Auch die Sauerstoffversorgung läuft nicht mehr optimal ab. Deshalb sind die Ergebnisse nur sehr schwer vorherzusehen.
 

 
Size: 47 KB
 

Empa-ForscherInnen ist es gelungen, die neue Methode zur Impfstoff-Produktion in einen Bioreaktor zu übertragen.

 

 
Die Empa-Forscher fanden heraus, dass die Bildung der «Glykokonjugate», also des Impfstoffs, von der Art der Nährlösung sowie der Steuerung des Prozessverlaufs beeinflusst wird. Mehrere Prozessabläufe wurden erprobt. Dabei erwies sich eine «fed-batch»-Betriebsstrategie, bei der Glycerol als Hauptnährstoff schubweise zugegeben wird, als die beste.
 

Deutlich erhöhter Vakzinertrag

Der neuartige Bioprozess lieferte im Vergleich zum bisherigen Schüttelkolbenverfahren eine 40-fache Erhöhung der Biomasse, also der Bakterienzelldichte. Gleichzeitig stellte jede einzelne Bakterienzelle im Schnitt sogar etwas mehr Vakzin her. Daher stieg der Ertrag an gereinigtem konjugiertem Impfstoff von 0,6 auf mehr als 30 Milligramm pro Liter Kulturflüssigkeit, eine Erhöhung um den Faktor 50. «In einem drei Liter grossen Bioreaktor waren die Ergebnisse sehr viel versprechend. Jetzt hoffen wir, dass sich das Prinzip auch auf den Industrie-Standard mit noch grösseren Ausmassen übertragen lässt», sagt GlycoVaxyn-Mitbegründer Michael Wacker.
 
Auf diesem Weg könnten höchstwahrscheinlich verschiedenste konjugierte Impfstoffe erzeugt werden. Zum Beispiel sind Impfungen gegen bestimmte Durchfallerreger denkbar. Das wäre vor allem für Entwicklungsländer ein Hoffnungsschimmer. Denn dort scheitern Impfkampagnen oft auch am hohen Preis von Vakzinen.